Reinhold Wulff, Berlin

Insbesondere Fachbuchverlage setzen inzwischen auf die Produktion von CDs, auf denen sie ihre Materialien zusätzlich präsentieren. Werden sie dabei diesem Medium gerecht?

In Skandinavien ist man den "neuen Medien" sehr früh und sehr offen gegenüber getreten. Mobiltelefone waren dort schnell verbreitet, mit Ericsson und Nokia sind zwei der Pioniere auf diesem Gebiet in Nordeuropa beheimatet. Island besitzt die größte Anschlußdichte für das Internet bezogen auf die Haushalte, die anderen nordeuropäischen Länder folgen dahinter. Fax, email und Internet sind aus der wissenschaftlichen, ja sogar aus der privaten Kommunikation im Norden nicht mehr wegzudenken, natürlich verfügen fast alle Haushalte über Videorecorder, Kabel- und/oder Satellitenanschluß sowie über einen Computer (meist der Marke "Apple") auf dem Schreibtisch. Kein Wunder also, daß auch Buchverlage neue Medien nutzen, um ihre Materialien auf dem Markt zu bringen. Hier biete sich die CD an, auf der aufgrund der hohen Speicherdichte und der immer schnelleren CD-ROM-Laufwerke der Personalcomputer nicht nur Texte und Bilder, sondern ganze Ton- und Bildfrequenzen, kleine Filmchen gar, aufgezeichnet werden können. Oft aber werden diese technischen Möglichkeiten nur unzureichend genutzt. Wer schon einmal kommerzielle CDs in seinem Laufwerk abspielte, weiß von zahlreichen unerklärlichen Abbrüchen, gar Systemabstürzen zu berichten. Grund ist zum einen die schlechte Dokumentation zur silbernen Scheibe, zum anderen der von den Macherinnen und Machern nicht berücksichtigte "naive" Umgang mit dem Medium: Sitzt man vor dem PC tut man nicht immer das, was Programmierinnen und Programmierer sich gedacht haben - und das ist auch gut so. Nur akzeptiert manch schlecht gestricktes Programm so etwas nicht und verabschiedert sich eins um andere Mal sang- und klanglos vom Bildschirm.


Bertil Schlyter (Produzent), Marcus Edström (Buch und Bilddesign), Peter Brandström und Henrik Edström (Programmierung)
Vikingar
Stockholm, Expo Media och Bokförlaget Natur och Kultur, 1995. ca. DM 100,--
minimale Systemvoraussetzungen
: 486 PC, 66 Mhz, Windows 3.1, 8 MB RAM, Super VGA 800x600, CD-ROM, Soundkarte 16bit Stereo


Nicht so das zu besprechende Programm über die Wikinger, das aus Anlaß einer Wikingerausstellung in Göteborg 1995/96 produziert wurde. Dort war es auf sechzehn Monitoren abrufbar und erfuhr dort einen extremen Praxistest, den man allen CD-Scheiben vor ihrer Einführung auf dem kommerziellen Markt wünschen sollte. Tatsächlich gelang es mir auch mit den ungewöhnlichsten Anfragen nicht, das Programm von seiner eigentlichen Aufgabe abzubringen, den Nutzer über die Zeit der Wikinger zu informieren.

Das Programm ist zweisprachig erstellt, Schwedisch und Englisch, wobei als Standardeinstellung die englische Fassung gewählt ist - ein Indiz dafür, daß man im Verlag davon ausgeht, mit dieser CD auf dem internationalen Markt Geschäfte machen zu können. Die Welt der Wikinger wird in vier Teilen vorgestellt, deren Hauptbildschirme jeweils wieder verschiedene Alternativen hinsichtlich der Vertiefung des Wissens bieten. "Sagen und Mythen" präsentiert die Mythologie der Wikinger von der Erschaffung der Welt bis zu den Werken des großen isländischen Erzählers Snorre Sturlasson.

Der zweite Teil behandelt die wichtigsten Runensteine Schwedens und gibt eine ausführliche Einführung in die Runenschrift, wichtige Phrasen werden vorgestellt und vorgesprochen, so daß man einen - wenn auch hypothetischen - Eindruck von der Lautvielfalt der altnordischen Sprache bekommen kann. Eine "Top Ten" der wichtigsten Runensteine wird aufgestellt und diese werden besonders ausführlich vorgestellt. Dazu gehören die Wiedergabe des Textes in modernem Schwedisch (leider bekommt man nur bei wenigen Steinen auch den Runentext mitgeteilt), die Angabe des Standorts, und - wenn bekannt - auch den Namen des Runenritzers sowie die Zeit der Herstellung. Zu einigen der bedeutenden Steine gehört zudem eine "Dramatisierung", d.h. die auf dem Runenstein beschriebenen Umstände werden in Form von Zeichnungen, Bildern, Grafiken und oft sehr beeindruckender Musik visualisiert. Eine Spielhandlung im eigentlichen Sinne findet jedoch nicht statt.

Im dritten Teil geht es um die Handels- und Wikingfahrten gen Osten und Westen. Unterkapitel behandeln dabei die Navigation, den Schiffbau und die Ereignisse bei diesen Zügen. Abschließend kann man sich im vierten Teil im Rahmen eines kleinen Quizes testen, ob man sein Wissen über die Wikinger mit Hilfe der Informationen auf der Scheibe ausreichend vervollkommnet hat, um sich künftig als Wikingerexperte bezeichnen lassen zu können. Die zwölf Fragen werden jeweils per Zufall ausgewählt und sind zwei Schwierigkeitsstufen zugeordnet. Es fällt nicht leicht, alle zwölf Fragen richtig zu beantworten, aber auch mit neun richtigen Antworten gilt man noch als guter Kenner der Wikingerwelt. Allerdings ist nach mehreren Durchgängen der Spaß an diesem Quiz vorbei, da bei jedem Durchgang die Anzahl der bereits bekannten Fragen sich erhöht. Trotzdem bringt diese kleine Prüfung Spaß.

Spaß ist überhaupt das Kennwort dieser CD - es ist ein großes Vergnügen, die Bilder anzuschauen, die in verblüffender Qualität wiedergegben werden, sowie sich die Musik und die Geräusche anzuhören, die bei einer guten Soundkarte und ebenso guten Lautsprechern einem so manches Mal einen Schauer über den Rücken schicken. Und inhaltlich läßt sich auch nichts an den aufgezeigten Themen aussetzen, dafür bürgen schon die Qualifikationen der herangezogenen Experten von Statens Historiska Museum, Runverket sowie der Göteborger Universität (Lars Holmblad, Helmer Gustavsson sowie Lars Lönnroth).

Trotzdem kann ich die CD nicht uneingeschränkt loben, denn nur ansatzweise werden die Möglichkeiten des Mediums genutzt. Weder gibt es tatsächlich animierte Sequenzen, Filme, Bildfolgen, noch echte "Hyperlinks" dort, wo man sie gern hätte. So erscheinen zwar einige Male Bilder auf dem Schirm, die auch in anderen Sequenzen vorkommen, dort sogar ausführlich thematisiert werden - nur leider ist es nicht möglich, durch einen Klick auf dieses Bild sofort in dieses Thema zu wechseln. Klickt man auf dem Bildschirm, während ein Thema abgearbeitet wird, so erscheint jedes Mal die Frage, ob man diese Sequenz abbrechen möchte oder fortsetzen will - in eine einmal gestartete "Vorstellung" kann man also nicht eingreifen. Hier wurde eine Chance vertan, sicherlich im Sinne der Ablaufsicherheit, aber nicht im Sinne eines wirklich neugierigen, forschenden Wandelns durch das Angebot der CD. Trotzdem: einen sinnvollen Zeitvertreib bietet diese CD allemal - und neben dem Spaß mit Bild und Ton wird schließlich noch historisches Wissen vermittelt.