Liebe Mitglieder des Nordeuropa-Instituts!
Dieses Kommentierte Vorlesungsverzeichnis mit
dem Jahresbericht 2005 ist das letzte, das noch im Mosse-Zentrum produziert
und verteilt wird, das Lehrveranstaltungen in den Räumen mit dem Kürzel
MOS verzeichnet. Ein Umzug steht an - wieder einmal. Und noch nie war das Nordeuropa-Institut
dem Zentrum der Humboldt-Universität so nah, wie es dann ab Wintersemester
2006/07 sein wird - am Hegelplatz, direkt hinter dem Hauptgebäude. Kommt
das Institut damit zur Ruhe?
Ich bin seit dem Wintersemester 1990/91 in Berlin
und habe fast alle Umzüge des Faches mitgemacht - und es waren in diesen
15 Jahren nicht wenige. Vielleicht ist es ganz aufschlussreich, in diesem Vorwort
die bisherige Odyssee des Faches durch Berlin anhand meines Schicksals nachzuzeichnen
und für die Nachwelt zu überliefern?
Ich begann meine Tätigkeit in der Skandinavistik
im Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin im Oktober 1990.
Für wenige Tage durfte ich ein Büro im Skandinavistik-Flügel
der "Rostlaube" in Berlin-Dahlem, Habelschwerdter Allee, beziehen.
Nun, der Rost war es nicht, der irritierte - das waren schon eher die Tesakreppstreifen
auf den Deckenfugen. Man informierte mich: Es gebe den Verdacht auf asbesthaltige
Verkleidungsmaterialien und da habe man sicherheitshalber die Ritzen verklebt.
Aber es bestehe keine akute Gefahr. Jedenfalls nicht für wenige Wochen.
Dann wurde nämlich beschlossen, dass mein Büro zu unsicher sei - ich
durfte umziehen in einen Nebenraum. Aber nur für kurze Zeit. Die Asbestgefahr
war wohl doch ernst zu nehmen, jedenfalls wurde dann urplötzlich die Schließung
der gesamten Rostlaube (inklusive unserer Institutsbibliothek!) verordnet, der
Verwaltungsleiter musste in aller Eile Notquartiere für das Sekretariat
in der Takustraße und Unterrichtsräume außerhalb der
Rostlaube organisieren. Ich unterrichtete also fortan einen Kurs in einer Oberschule
in Dahlem, den anderen ab Januar 1991 auf dem Teppich meiner neuen Wohnung in
Friedenau (die Möbel kamen erst im Februar aus Kiel...). Eine vorläufige
Sicherung der Rostlaube ließ es dann ab dem Sommersemester 1991 wieder
möglich erscheinen, in Rost- und Silberlaube zu unterrichten. Eine Zeit
lang gewöhnte ich mich an die Routine.
Inzwischen entwickelte sich die Diskussion um
eine Fusion der Skandinavistiken an FU und HU - teilweise kam es zu heftigen
Auseinandersetzungen. Ich selbst trug diesen Fusionsprozess von Anfang an mit
- und war deshalb auch sofort bereit, an der HU einen Lehrauftrag zu übernehmen,
nachdem Bernd Henningsen an der HU die Professur für Skandinavistik/Kulturwissenschaft
übernahm. Das Domizil des Faches war inzwischen von der Mittelstraße
in die Schumannstraße, fast gegenüber dem Deutschen Theater,
weitergewandert, und ich siedelte mich ein wenig dort an, unterrichtete im Rahmen
zweier unbezahlter Lehraufträge im Wintersemester 1993/94 und im folgenden
Sommersemester zur nordeuropäischen Geschichte.
Zum Wintersemester 1994/95 war dann endlich der
doch für einige schmerzhafte Fusionsprozess vollbracht und HU- und FU-Skandinavistik
zogen gemeinsam mit der Germanistik der HU in die Glinkastraße
- und wurden damit bald unmittelbare Nachbarn des Arbeits- und Sozialministeriums.
Nur kurze Zeit währte die friedliche Zeit dort. Unser Institut war ganz
oben im Gebäude untergebracht, im neunten Stock, herrliche Sicht, man konnte
sogar aufs Dach steigen und von oben auf die zahlreichen Baustellen und Sehenswürdigkeiten
Berlins gucken, z.B. auf den verhüllten Reichstag. Schön war's - es
gab leider einen Haken: Es existierte nur ein Treppenhaus - und wo "Notausgang"
draufstand, gab es keinen, denn dieser Fluchtweg hätte geradewegs auf die
Flure des Ministeriums geführt. Daran hatte aber dieses kein Interesse,
aus Angst vor versehentlich oder absichtlich eindringenden Studierenden - deshalb
blieben die Fluchttüren zugemauert! Ich bemühte mich (mit Unterstützung
von IR-Beschlüssen), die Bauabteilung der HU sowie die Stadtverwaltung
Mitte und natürlich das Ministerium auf diese Sicherheitslage hinzuweisen
- lange ohne jedes Resultat! Wir wurden vertröstet. Bis ich schließlich
beschloss, die Presse zu informieren - und flugs gab es Ärger mit der Universitätsleitung,
und die Stadtbezirksverwaltung sah sich zu schnellem Handeln genötigt.
Folge: Wieder gab es einen Holterdiepolter-Auszug für mich - und die anderen
Angehörigen des NI und der Germanistik. Das NI musste Anfang 1996 sofort
und endgültig aus dem Gebäude raus, denn wir waren am meisten gefährdet:
Die Feuerwehrleitern hätten uns dort oben im Notfall nicht erreicht, so
hoch sind diese nicht ausfahrbar! Nur die Bibliothek im Erdgeschoss und die
Verwaltung im untersten Stockwerk durften vor Ort verbleiben, der Rest aber
musste ins Exil. Das bedeutete für die meisten Lehrveranstaltungen unseres
Instituts: Raus in die Torstraße, ins ehemalige Zentralarchiv der
SED, wo ab jetzt die meiste Lehre und auch Sitzungen der Institutsgremien stattfanden.
Ein beeindruckendes Gebäude, aber seit Jahren leer stehend und entsprechend
ungepflegt, ja: abstoßend dreckig ...
Zum Glück wurde recht schnell ein neues
Gebäude gefunden, eben unsere heutige Heimat, das Mosse-Zentrum in der
Schützenstraße, in dem seit dem Wintersemester 1996/97 der Lehrbetrieb
stattfindet - und nach genau zehn Jahren wird auch dieses Kapitel zugeschlagen
und wir werden uns im Wintersemester 2006/07 im entkernten, umgebauten ehemaligen
Seminargebäude am Hegelplatz, Ecke Universitäts- und Dorotheenstraße,
wiederfinden. Nach einem hoffentlich rechtzeitigen und problemfreien Umzug.
Dem Vorteil der zentraleren Lage steht leider
die bedauerliche fortdauernde Verteilung des Instituts auf zwei Stockwerke gegenüber,
Vor- und Nachteile mag es mit sich bringen, dass mehrere Seminarräume auf
"unserem" Flur liegen und es also viel Durchgangsverkehr im Institut
geben wird. Für mich aber eine große Erleichterung wird es sein,
von Lärm, Gestank und vor allem Vibrationen der Druckmaschinen verschont
zu bleiben.
Ich wünsche uns allen eine erfolgreiche Zeit in dem neuen Gebäude - vielleicht dauert es ja mehr als zehn Jahre, bis wieder umgezogen werden und ich mein zehntes dienstliches Domizil in Berlin einrichten muss ...
Reinhold Wulff
Berlin, im Januar 2006